Loblied auf die Farbe Grau
Es geschieht ja nur ganz selten
Daß man wirklich etwas weiß
Und ich geb dir wenn ich stark bin
Meine Ratlosigkeit preis
Meine Worte sind angeblich
Und vermutlich und vielleicht
Weil das kleine Wörtchen sicher
Niemals für die Wahrheit reicht
Denn die Wahrheit kennt nicht böse
Kennt nicht gut nicht schwarz nicht weiß
Sie liegt immer dort wo’s grau ist
Das ist anstrengend ich weiß
Denn man hätte es gern eindeutig
Ohne aber ohne wenn
Jede Frage ist gemütlich
Sobald ich die Antwort kenn
Doch es ist alles nicht so einfach
Es ist alles kompliziert
Und man braucht ja so viel Zeit
Bis man irgendwas kapiert
Es gibt keine schnelle Antwort
Selten weiß man was genau
Und wer stark ist und geduldig
Der begnügt sich auch mit Grau
Und es gibt verdammte Tage
Wo das Graue einfach stirbt
Wo das Weiße für das Weiße
Und Schwarz für das Schwarze wirbt
Und dann denken plötzlich viele
Nur noch Schwarz oder ganz Weiß
Und vergessen was fast jeder
Der ein Herz hat nun mal weiß
Haarfein sind die Unterschiede
Nie ganz schwarz und niemals weiß
Gut und Böse nah beieinander
Das ist anstrengend ich weiß
Denn man hätte es gern eindeutig
Ohne Aber ohne Wenn
Wie bequem ist’s wenn ich Feinde
Und auch meine Freunde kenn
Doch es ist alles nicht so einfach
Es ist alles kompliziert
Und der Preis fürs Aburteilen
Dass man die Nuance verliert
Es gibt keine schnelle Antwort
Und Polemik ist nicht schlau
Denn wer mutig ist und ehrlich
Der begnügt sich auch mit Grau
Nichts ist einfach, nichts eindeutig
Es ist alles kompliziert
Und man braucht ja so viel Zeit
Bis man irgendwen kapiert
Es gibt keine schnelle Antwort
Selten weiß man was genau
Und wer stark ist und geduldig
Der begnügt sich auch mit Grau
Text: Georg Clementi inspiriert von Der Terror und ich von Yassin Musharbash, ZEIT MAGAZIN Nr. 23/2014 und Primitive Reflexe von Peter Sloterdijk, DIE ZEIT Nr. 11 vom 3. März 2016
Musik: Georg Clementi / Tom Reif
Sigrid Gerlach: Akkordeon
Tom Reif: Gitarre und alle anderen Instrumente
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